Nick hatte in der Zwischenzeit an einem der Tische der Café-Bar 'Brazil' Platz genommen. Den Stuhl empfand er als unbequem, da es sich um einen dunklen hölzernen Klappstuhl handelte. Der Tisch vor ihm war aus dem gleichen Holz, in der gleichen Farbe. Die Ritzen zwischen den einzelnen Holzlatten erschwerten es einem, irgendetwas gerade darauf abzustellen. Die Bedienung hatte den neuen Gast bemerkt und kam mit einem freundlichen Lächeln auf ihn zu. "Was darf es sein?" fragte sie wie einstudiert. "Ein Glas Wasser, bitte", antwortete Nick, der trotz der Sonnenbrille blinzeln musste. "Mit oder ohne...", begann die Kellnerin und wurde prompt von ihrem Gegenüber unterbrochen: "Ohne, wenn es geht." "Natürlich, kein Problem." Sie lächelte den Mann an und er erwiderte das Lächeln höflich. Einen Moment verharrte sie unschlüssig vor ihm, bevor ihr in den Sinn kam, was sie zu tun hatte. "Sonst noch etwas?" fragte sie nun. Nick schüttelte den Kopf: "Nein, danke." Die Bedienung wandte sich ab und machte sich auf, um das Bestellte zu holen. Die Beine ausstreckend, lehnte Nick sich mit verschränkten Armen zurück. Ihm war bewusst, dass er ein großes Risiko einging, aber er hatte keine andere Wahl. Wie sollte er sonst das FBI davon überzeugen, dass er es ernst meinte mit seiner Hilfe.
Das Fernglas hatte er zum Auto zurückgebracht, bevor er sich ins Café gesetzt hatte. Dabei war sein Blick an dem großen Koffer hängen geblieben. Er fragte sich inständig, ob es eine gute Idee war, wirklich keine Waffe bei sich zu haben. Aber er hatte am Telefon sein Wort gegeben und dazu stand er auch. Es war nicht die Angst, dass man ihn festnehmen oder niederschießen könnte, die ihm zu schaffen machte. Er hoffte, dass man ihm glauben würde. Leicht zusammenzuckend registrierte er, dass die Bedienung in jenem Moment sein Glas auf dem Tisch abgestellt hatte. "Danke", brachte er lächelnd hervor und betrachtete ihr Gesicht. Sie nannte ihm, ebenfalls lächelnd den Preis. Zielsicher griff Nick in seine linke Hosentasche und beförderte mit seiner linken Hand etwas Kleingeld hervor. Er warf nur einen groben Blick darüber und fasste mit seiner Rechten locker ihre rechte Hand. Gefühlvoll drehte er sie, um das Geld in die nun geöffnete Hand zu legen. Die Kellnerin bedachte ihn mit einem überraschten Blick. "Stimmt so", sagte er ruhig und schloss mit seiner nun freien Linken ihre Hand. Danach ließ er sie los und die Frau wandelte wie in Trance wieder in das Gebäude zurück.
Nick blickte auf die Uhr. Es waren noch gute zehn Minuten bis zum Treffen. Unbeteiligt beobachtete er das Treiben um ihn herum. Menschen, die langsam durch den Park spazierten oder in ihrem Geschäftswahn vorbei rasten. Während er sich in seinem schwarzen ärmellosen T-Shirt entspannte, wärmte ihn die Sonne. Es war ein Fehler zu Relaxen, dass wusste er, als sich über seinem linken Ohr wieder die üblichen Kopfschmerzen anmeldeten. Daher entsann er sich, die Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und beschäftigte sich damit, auffällige Leute ausfindig zu machen. Nach fünf Minuten tauchte ein merkwürdiges Pärchen auf. Er wusste sofort, dass sein Gesprächspartner nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Lächelnd beobachtete Nick, wie sich die kleine Frau zusammen mit ihrem dunkelhäutigen Begleiter auf eine Bank, etwa fünfzig Meter entfernt setzte, die gerade frei geworden war. Sein Plan sah vor, dass er einen Moment lang seine Zielperson beobachten würde, bevor er sich zu erkennen gab. Bei seiner weiteren Beobachtung stellte er fest, dass insgesamt zehn auffällige Personen aufgetaucht waren, die seiner Meinung nach zum FBI gehören mussten. Er behielt jedoch im Hinterkopf, dass er vielleicht den einen oder anderen übersehen haben mochte. Aber was störte es ihn? Wenn alles so lief, wie abgesprochen, würde die Unterhaltung ohne große Komplikationen über die Bühne gehen und anschließend würden Beide das Café unversehrt verlassen. Nick schloss die Augen und ließ die Zeit verstreichen. Nur noch ein paar Minuten und es wäre soweit.
Plötzlich nahm ihm ein dunkler Schatten die Sonne. Überrascht öffnete er die Augen und betrachtete verblüfft sein Gegenüber durch die Sonnenbrille. "Blackmate?" fragte Don mit einem scheinheiligen Grinsen, denn er konnte die Überraschung auf dem Gesicht des Mannes erkennen. Verwirrt ging Nicks Blick zu seiner Uhr. "Sie sind zwei Minuten zu früh", stellte er fest, während sich der FBI-Agent setzte. "Besser zu früh als zu spät, oder?" entgegnete Don, "immerhin sind Sie auch schon hier." Langsam fing sein Gesprächspartner sich wieder. "Nochmals danke für Ihre Hilfe heute morgen beim Wagen", meinte Nick, nun wieder ganz kühl, wie ein Profi. Er beobachtete Dons Miene und so musterten sich beide schweigend. Don fiel sofort die Tätowierung an Nicks rechtem Oberarm auf und er hoffte, dass einer seiner Leute ein brauchbares Bild davon machte. Das Tattoo zeigte ein auf den Hinterbeinen aufgerichtetes Pferd, das mit Flügeln und einem Horn versehen war. Eine Mischung aus Pegasus und Einhorn. In dem Wissen, dass seine Begleitung jedes Wort hören konnte, begann Don schließlich das Gespräch: "Da Sie wissen, wer ich bin, möchte ich gerne auch Ihren Namen wissen." "Oh nein, Eppes, darauf falle ich nicht rein. Nennen Sie mich einfach Nick", antwortete sein Gegenüber auf die Frage, "halten Sie mich für einen Anfänger?" Don schüttelte den Kopf. "Nein, ganz und gar nicht. Aber Sie müssen wissen, dass dieses Treffen sehr ungewöhnlich ist. Haben Sie wirklich keine Waffe dabei?" "Prüfen Sie es doch", meinte Nick und stand mit erhobenen Händen auf.
"Don, das ist die Gelegenheit", hörte Don Terry in seinem Ohr, als er aufstand und Nick von oben bis unten filzte. Zufrieden setzte sich der FBI-Agent wieder und sah den immer noch Stehenden erwartungsvoll an. "Ich hab Ihnen mein Wort darauf gegeben", beantwortete dieser die ungestellte Frage und setzte sich ebenfalls wieder. "Was wollen Sie?" fragte Don, als er sich im Stuhl zurücklehnte. Er entspannte sich ein wenig, denn er fühlte sich nun sicherer. Nick griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck von seinem Wasser. Während er antwortete, setzte er das Glas wieder auf dem Tisch ab: "Darüber können wir zu einem späteren Zeitpunkt reden." Der bisherige Verlauf ging ihm gegen den Strich, denn Nick bemerkte das Misstrauen ihm gegenüber. Wieder musterte er Don, der etwas nervös wirkte. Beide schwiegen, als die Bedienung zum Tisch kam, um Dons Bestellung aufzunehmen. Doch er sagte nichts. "Bitte bringen Sie meinem Freund einen Kaffee", übernahm Nick den Part, ohne den Blick von Don zu wenden. Nickend machte sich die Kellnerin auf den Rückweg, stolperte aber über die auf dem Boden abgestellte Tasche eines Gastes. Sie konnte sich gerade noch am Tisch festkrallen, um nicht auf den Boden zu knallen. Erschrocken brach Don den Blickkontakt zu Nick ab und sah zu der Frau herüber. Sein Gegenüber beachtete die Szene gar nicht und konnte daher ein dünnes Kabel an Dons Hemdkragen erkennen, als der den Kopf drehte. Der FBI-Agent erhaschte nur noch kurz den erbosten Blick seines Gesprächspartners. Als Don zu seiner Waffe greifen wollte, war Nick schon aufgesprungen. In Sekundenbruchteilen hatte er die Waffe des FBI-Beamten aus dem Holster gerissen und ihn am Kragen gepackt. Schockiert sah Don in den Lauf seiner eigenen Pistole und verfluchte sich selbst in Gedanken. Hätte er sich doch bloß nicht ablenken lassen. Mit sicheren Handgriffen riss Nick nun die Kabel ab, um eine weitere Übertragung zu verhindern. "Ich hab doch gesagt, ohne Abhören", fuhr er durch zusammengebissene Zähne Don an. Wortlos starrte dieser immer noch auf den Lauf der Waffe direkt vor seinem Gesicht. Die anderen Gäste des Cafés beobachteten erstarrt die Szene. Inzwischen kamen auch die zehn FBI-Agenten mit gezogenen Waffen auf die Beiden zu gerannt.
Nachdem Nick die Kabel gekappt hatte, zog er Don unwirsch zu sich. Dann drehte er ihn so, dass er ihn von hinten packen konnte und legte den linken Arm um seinen Hals, während er mit der Waffe in seiner Rechten auf die anderen Beamten zielte. Er nahm David ins Visier, entschied sich dann aber, Don die Pistole an die Schläfe zu halten. "FBI! Waffe fallen lassen", brüllte Terry ihn an, als die Agenten nur noch zehn Meter entfernt waren. Don konnte den Herzschlag seines Geiselnehmers spüren, er war vollkommen ruhig und gleichmäßig. Nick war ein Vollprofi, wie Don verbittert feststellte. Dementsprechend ruhig war auch die Antwort, die Terry auf ihre Forderung bekam: "Eine falsche Bewegung und der Wind pfeift durch seinen Kopf." "Lassen Sie die Waffe fallen!" brüllte Terry nun total in Rage. "Hören Sie, der Einzige, der hier Forderungen stellen kann, bin ich", entgegnete Nick, "und das heißt, dass wir beide hier jetzt um die Häuserecke hinter mir gehen werden, ohne dass sich einer bewegt." Don nickte Terry zu, dass sie seine Anweisungen befolgen sollte. Vorsichtig zog Nick seine Geisel rückwärts, ließ die Waffe an Dons Kopf und beobachtete die Agenten vor ihm, die allesamt wie angewurzelt stehen blieben. Sie entfernten sich immer mehr, als Don leise zu seinem Geiselnehmer sagte: "Hören Sie, Nick, es tut mir leid." Die Beiden gingen weiter rückwärts während der Unterhaltung. "Dafür ist es jetzt ein wenig spät", flüsterte Nick in Dons Ohr.
Gespannt beobachteten Passanten die Szene. Die FBI-Agenten blieben an Ort und Stelle, doch Terry gab schon diverse Anweisungen, was zu tun war, sobald Nick sie nicht mehr sehen konnte. Langsam aber sicher kam die Hausecke immer näher. Nick wunderte sich etwas, hatte er sich doch verschätzt, was die Entfernung anging. Er hatte mit einem wesentlich kürzeren Weg gerechnet. Es sollte ihm Recht sein, denn der längere Weg gab ihm etwas mehr Zeit.
Zusammen bogen Don und er, um die Ecke, was die FBI-Agenten veranlasste, in zwei Richtungen auszuschwärmen. Nick nahm die Waffe runter, schob sie in Dons Holster und schubste den FBI-Beamten von sich weg. Don war viel zu perplex, um zu reagieren. Unterdessen hatte sich Nick rennend auf den Weg gemacht, die Strasse zu überqueren. Als Terry ihren Partner erreichte, blieb sie bei ihm stehen. "Ist alles in Ordnung?" fragte sie etwas ausser Atem und legte dabei ihre rechte Hand auf Dons rechten Arm. "Ich bin okay", bekam sie als Antwort, wenn auch etwas verwirrt. "Lass ihn laufen." Terrys Augen suchten die ihres Gegenübers. "Bist du verrückt?" wollte sie erstaunt wissen. Don wollte ihr antworten, doch sie hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. "David?", fragte sie in das Mikrofon und presste mit ihrer Linken den Knopf weiter in ihr Ohr, um über den Lärm der vorbei rauschenden Autos besser verstehen zu können. "Er ist entkommen", knisterte es ihr ins Ohr. Terry fluchte leise, als David über Funk fortfuhr: "Hier ist eine drei Meter hohe Mauer. Der Kerl ist so merkwürdig daran hochgesprungen... Meadows hat versucht, das nachzumachen... ohne Erfolg. Er hat sich den Knöchel verstaucht." Terry lief fast vor Wut rot an, doch dann legte Don ihr beide Hände auf die Schultern. An der Art ihrer Reaktion, wusste er, dass der Mann entkommen war. "Hey", meinte er aufmunternd, "macht doch nichts." "Er hätte dich umbringen können", regte sich die FBI-Beamtin auf. "Hat er aber nicht", entgegnete Don trocken, "aber das war auch nie seine Absicht." Irritiert blickte sie ihn an. "Das war nie seine Absicht?" Don schüttelte den Kopf und sagte: "Frag bitte nicht nach dem Warum..." Terry unterbrach ihn: "Ist jetzt auch egal. Wir haben eine Menge Arbeit zu erledigen."