Sie ging einen Schritt näher an Sams Bett heran. Vorsichtig strich sie ihm durch sein Gesicht, darauf bedacht, ihm nicht noch mehr Schmerzen zu zufügen. "Glück?" durchbrach sie schließlich die Stille, "das war mehr als Glück, so wie der Wagen aussah. Ihr müsst verdammt gute Schutzengel haben", stellte sie zum Schluss fest. Sam lächelte, eine Antwort bekam er nicht mehr zustande. Lia wollte Sam noch was sagen, kam aber nicht mehr dazu, da der Arzt wieder im Zimmer erschien und Lia somit klar machte, dass sie gehen musste. Sie hauchte Sam noch einen Kuss auf seine Lippen, bevor sie dann endgültig das Zimmer verlassen musste.
Im Aufenthaltsraum warteten immer noch Grim und Lambert auf Lia. Sie wusste nicht Recht, wie Lambert reagieren würde, wenn er hörte, dass Sam nichts zu dem Unfall gesagt hatte. Seufzend betrat sie den Raum und sah Lambert an. "Er hat nichts gesagt?" mutmaßte Lambert aus Lia ihrem Blick. Sie verneinte. "Er hat kaum Kraft zum Sprechen, es fällt ihm schwer zu reden." Lambert konnte ein Seufzen nur schwer unterdrücken, "dann müssen wir halt doch warten." Lia nickte. Sie wusste, sobald Sam ein weiteres Mal Besuch empfangen konnte, würde Lambert mit ihm reden wollen. Wieder ließ Lia sich auf einen Stuhl nieder und verharrte dort. Sie wollte nicht weg, nicht nach hause. Auch wenn ihr Körper und der Krümel in ihr, ihr etwas anderes sagten.
Schließlich war es Lambert, der Lia überzeugen konnte, mit Grim und ihm das Krankenhaus, zumindest für den Moment zu verlassen. Es fiel ihr schwer, die beiden Männer alleine dort zurück zu lassen. Sie wollte es nicht. Schweigend stieg sie bei Grim in den Wagen und fuhr mit ihr zurück in ihre Wohnung. "Du willst doch wohl nicht, in diesem Zustand noch zurück fahren ins Haus?" fragte Grim etwas skeptisch nach, als sie sah, dass Lia ihren Wagenschlüssel rauskramte. "Doch, ich will dir nicht auf den Wecker gehen, deshalb." "Hmpf, Lia? Was soll das? Du gehst mir nicht auf den Wecker. Also komm schon", Grim machte eine Kopfbewegung Richtung Haustür. Unentschlossen stand Lia zwischen ihrem Wagen und dem Weg zur Haustür, ehe sie sich einen Ruck gab und die Haustür ansteuerte.
Vor der Tür blieb Lia erneut steht. Ihr Handy klingelt. Sie kramte es aus ihrer Tasche raus und ging ran, ohne auf die ID zu achten. "Ja? Khira?" Lia wurde ein weiteres Mal blass im Gesicht, hatte sie Richards Tochter doch total vergessen. "Ich steh hier jetzt schon eine Stunde und warte darauf, dass mich einer von euch abholt. Wo seit ihr?" wetterte ihr es entgegen. Lias Gedanken überschlug sich. Sie hatte durch das ganze Durcheinander völlig vergessen, dass Khira heute aus Berlin hier ankommen sollte. "Bleib wo du bist, ich hol dich ab, tut mir leid, dass haben wir völlig versemmelt. Bin gleich da", damit beendete Lia das Gespräch, machte Kehrtwendung und war wieder an ihrem Wagen. "Wo willst du denn jetzt noch hin?" fragte Grim völlig verzweifelt. Sie wusste, dass Lia überhaupt nicht mehr in der Lage war, auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können, um Auto fahren zu können. "Zum Flughafen, Khira abholen, wir haben sie völlig vergessen", erklärte Lia beim Einsteigen. Auch Grim war nun am Torrent dran und öffnete die Beifahrertür. "Ich komme mit." "Nein", kam von Lia fest entschlossen, "es wird schon schwer genug werden, ihr zu erklären, warum ich sie nur abholen und warum Richard nicht dabei ist." Grim gefiel es nicht sonderlich, konnte Lia aber auch nicht dazu zwingen, sie mitzunehmen. Seufzen und Sorgen machend, warf Grim die Tür wieder ins Schloss und ging zurück zur Haustür.
Lia hatte den Motor bereits angelassen und war nun auf dem Weg zum Flughafen. Während der Fahrt dorthin, überlegte sie, wie sie Khira erklären konnte, was passiert war. Khira würde sich genauso Sorgen machen, wie Lia es im Moment tat. Es fiel ihr schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Glücklicher Weise, war es weit nach Mitternacht, was zur Folge hatte, dass nicht all zu viel los war auf den Straßen. Am Flughafen angekommen, musste Lia nicht lange suchen, da Khira bereits vor dem Gebäude auf sie gewartet hatte. Lia parkte den Wagen kurz, sie brauchte frische Luft, jetzt. Sie hatte während der Fahrt bemerkt, wie die ganze Aufregung an ihrem Körper zerrte. Beim Aussteigen, musste Lia sich ein Lächeln abringen, als sie Khira begrüßte. Sie wusste, dass es nicht lange standhalten würde.
Khira kannte Lia inzwischen gut genug, um sofort zu wissen, dass etwas nicht stimmte. "Lia? Was ist los? Wo ist Papa?" Lia schluckte, würde sie Khira doch nichts vormachen können und erzählte ihr von dem Unfall. Wie sie voraus geahnt hatte, machte sich Khira, verständlicher Weise, Sorgen. Sie hatte auch nicht mehr die Kraft, um Khira irgendwie beruhigen zu können. Schaffte sie es doch selber nicht, sich zu beruhigen. "Können wir ins Krankenhaus fahren?" fragte Khira, nach dem sie es geschafft hatte sich wieder einigermaßen zu beruhigen. Lia verneinte leise und erklärte ihr, dass die Ärzte sie nicht zu Richard lassen würden.
Khira merkte schnell, dass Lia am Ende ihrer Kräfte war. "Schaffst du es noch bis nach hause?" fragte sie daher vorsichtig. Lia wusste es nicht und zuckte ratlos mit den Schultern. Khira sah sich kurz den Torrent an, "lass mich fahren, ich werd das wohl hinkriegen." Lia wollte ablehnen, spürte aber, dass es einfach nicht mehr ging und setzte sich stillschweigend auf den Beifahrersitz. Es dauerte einen Moment, bis Khira mit dem SUV klar kam, brachte ihn dann schließlich doch zum rollen und verließ das Flughafengelände. Lia lotse Richards Tochter zurück zu Sams Haus.
Lia war im ersten Moment froh, wieder zuhause zu sein, im gleichen Augenblick, wurde ihr aber bewusst, dass Sam und Richard immer noch im Krankenhaus lagen und nur knapp dem Tod entkommen waren.