Als Richard das erste Mal nach New York musste, hatten weder er noch ich, die Möglichkeit gehabt, miteinander zu reden, was unter anderem daran lag, dass keiner von uns auch nur daran gedacht hatte, bei Richards Abflug nach New York, die Nummern auszutauschen. Warum auch? Wir wohnten nebeneinander, da kommt einem so was nicht gleich in den Sinn. Ich war schon enttäuscht, dass Richard sich nicht meldete, als er gelandet war. Bis mir einfiel, dass wir eben besagte Nummern nicht ausgetauscht hatten. Ich hatte in den darauf folgenden Tagen vergeblich versucht, Emu zu erwischen, doch dieser schien wie vom Erdboden verschluckt gewesen zu sein.
Ich kam gerade von einem der unzähligen Behördengänge, die mir inzwischen schon total gegen den Strich gingen, aber die auch wichtig waren. Ich kam gerade die letzten Stufen, zu meiner Etage hoch, als ich sah, dass die Wohnungstür von Richard offen stand. Mein Herz fing an Purzelbäume zu schlagen. Ich klopfte kurz an die offen stehende Tür und trat, ohne auf eine Aufforderung zu warten, ein. Was ich zu sehen bekam, ließ mich an meiner Entscheidung, mit Richard was angefangen zu haben, zweifeln. Vor mir stand eine junge hübsche Frau. Sie musste Richard offenbar gut kennen. Denn: Sie hatte einen Wohnungsschlüssel, da sie ja gerade vor mir gestanden hatte und sie musste sich auch gut auskennen in der Wohnung, da sie mir aus dem Schlafzimmer entgegen kam.
Ich stand immer noch wie erstarrt im Flur und musste um Worte ringen.
"Öhm? Hallo?! Entschuldige, ich dachte Richard wäre wieder da." Mehr bekam ich gerade nicht zustande. Ich wollte nur noch die Flucht aus Richards Wohnung ergreifen. "He? Halt! Warte. Wo ist Papa?" hörte ich mitten mal hinter mir die junge Frau fragen. Hatte sie gerade eben, tatsächlich Papa gesagt? Abrupt blieb ich stehen und drehte mich zu Richards Tochter um.
Was wahrscheinlich jeder einigermaßen eingefleischte Rammsteinfan wusste und für ihn schon ganz normal war, war für mich eine ganz neue Erfahrung. Da sie nicht wesentlich älter war als ich. Vielleicht neun oder zehn Jahre Unterschied zu mir, mehr waren es nicht. "In New York!" gab ich verdutzt als Antwort von mir. "Hmpf, dass is mal wieder typisch Papa. Er hätte ja mal bescheid sagen können, dass er schon wieder rüber geflogen ist. Toll." wetterte es mir auf einmal entgegen. Ich versuchte irgendwie einzulenken: "Es gab wohl irgendwelchen Probleme dort, keine Ahnung." Ich sah mir die junge Frau, die mir gegenüber stand, an und musste mir doch eingestehen, dass sie starke Ähnlichkeit mit ihrem Vater hat. Das war nicht von der Hand zu weisen.
"Entschuldige, ich bin Lia." "Hey? Freut mich, ich bin Khira." Khira grinste mich breit an. "Lass mich raten, Papa hat nichts von mir erzählt? Richtig?" "Öhm? Bis jetzt noch nicht. Ich hab deinen Vater auch erst Samstag kennen gelernt." gab ich etwas vorsichtig zu. Khira kam ein Pfeifen über ihre Lippen. "Und schon mit ihm zusammen? Wouh, dass nenn ich neuen Rekord." Ich wusste nicht so Recht, was ich darauf antworten sollte und machte wohl auch dementsprechend ein dummes Gesicht. Khira fing an zu lachen. "Tut mir Leid. Es war nur so verlockend, er ist nicht so." "Hmpf. Keine Frage, dass du seine Tochter bist." Khira grinste mich erneut an. "Grad was vor?" fragte sie frech. "Ich?" fragte ich doch etwas dämlich zurück. Sie fing herzhaft an zu lachen. "Siehst du hier sonst noch jemanden? Ich nicht. Da bleibst ja nur noch du. Wollen wir nen Kaffee trinken? Papa hat bestimmt noch irgendwo in der Küche Kaffee gebunkert....." Khira verschwand in der Küche, "er kann gar nicht ohne." Stellte sie noch trocken fest und machte sich dann auch schon bei, die halbe Küche auf den Kopf zu stellen. Ich gesellte mich dazu und sah mir das Schauspiel kurz an. "Der Kaffee ist da." Ich deutete auf einen der Hängeschränke, der in der Mitte der Türen Glas drin hatte.
Nachdem der Kaffee durchgelaufen war, setzten wir uns beiden an den Küchentisch und tauschen uns ein wenig an. Aber ich hatte noch was anders auf dem Herzen: "Duuuhhuu, sag mal? Könntest du mir vielleicht die Handynummer von deinem Vater geben." fragte ich Khira zögerlich. "Ich hab auch schon versucht ihn zu erreichen, aber der Herr scheint eine neue Nummer zu haben, und scheint es auch nicht für Nötig zu erachten, seiner Tochter die neue Handynummer zu geben.....hm?" Khira überlegte kurz. "Aber Emu hat die mit Sicherheit." Ich winkte ab: "Ich hab Emu die letzten Tage nicht ein Mal getroffen. Das kam mir ja auch schon in den Sinn, ihn zu fragen." Khira und ich überlegten noch ein Weile, wie wir an die neue Handynummer kommen könnten, bis Khira einfiel, man könnte ja einfach mal einen seiner Bandkollegen, wie zum Beispiel Paul, anrufen und ihn nach der Nummer fragen. War zwar irgendwie ein bisschen dämlich, dass die eigene Tochter bei jemand anderem frage musste. Aber schlussendlich, hatten wir am Abend doch endlich die neue Nummer.
Zu meinem Erstaunen, kamen Khira und ich, mit einigen Anfangsschwierigkeiten, doch gut miteinander klar. Sehr zum Leidwesen, oftmals, von Richard.
Ich sah Khira zu Anfang meiner Beziehung mit Richard öfter, was sich danach auch wieder legte. Sie kam in unregelmäßigen Abständen ab und zu mal vorbei. Es hatte gute vier Monate gedauert, bis ich mich endgültig in meiner Wohnung richtig eingerichtet. Richard war mal wieder in Berlin und saß gerade in meinem Wohnzimmer. Ich jonglierte gerade mit zwei Gläsern und einer Falsche Coke um den Couchtisch herum und hatte es irgendwie umständlich geschafft, alles heil auch dort abstellen zu können. "Lia?!" es war so ein 'nebenbei' fragender Tonfall von Richard. "Hm? Was los?" Richard wartete nur darauf, dass ich endlich alles auf dem kleinen Glastisch abgestellt hatte, zog mich zu sich auf seinen Schoß und gab mir erst einen Kuss, bevor er dann auf meine Frage einging. "Ich weiß, ich hab dich schon gefragt....." er brach ab und sah mich an. Ich war verwirrt. "Was hast du mich schon gefragt?" wollte ich wissen.