Don schreckte hoch. Er hatte irgendein hölzernes Geräusch gehört. Verschlafen fuhr er sich mit der rechten Hand durchs Gesicht. Und wieder das Geräusch: jemand klopfte an seine Wohnungstür. Noch nicht ganz wach, deckte sich Don auf und stand vom Sofa auf. Sein Blick ging zur Uhr, die er immer noch um sein Handgelenk trug. Es war kurz nach vier am Morgen, er hatte also nicht lange geschlafen. Das Klopfen wurde lauter, als Don sich auf die Tür zu bewegte. Bevor er zur Türklinke griff, fiel ihm ein, dass er vielleicht doch besser seine Waffe geholt hätte. Zum Glück hatte er die Klinke noch nicht gedrückt. Daher machte er sich leise auf den Weg zurück ins Wohnzimmer, wo die Waffe auf dem Tresen zur Küche weilte. Als er zu der Pistole griff und sie aus dem Holster befreite, hörte er auf einmal ein merkwürdiges Schlittern, ganz so als wenn jemand mit dem Rücken an der Tür hinab rutschte. Ruckartig drehte er sich mit gezogener und entsicherter Waffe um und sah zur Tür. Sie war noch immer geschlossen. Langsam ging er auf den Eingang zu, doch es blieb still. Als er die Tür erreichte, griff er mit der Linken zum Türgriff, um die Waffe in der Rechten lassen zu können. Mit einem Ruck riss er die Tür auf, bereit, jeden niederzuschießen, der ihm ans Leder wollte. Auf dem Boden vor der Tür saß ein schwarz gekleideter Mann mit einem Pferdeschwanz, der nun vollkommen überrascht zu Don hoch sah.
"Sie?" fragte Don irritiert. "Begrüßen Sie jeden Besucher so?" entgegnete Nick in einer Frage, während er sich gespielt an die Brust fasste, "da bekommt man ja einen Herzinfarkt." Aufgrund der Tatsache, dass der FBI-Beamte eine Waffe in der Hand hielt, verharrte Nick am Boden. Durch diese Reaktion wurde Don erst bewusst, dass er die Kontrolle über die Situation hatte. "Stehen Sie auf", forderte er den Mann auf, "was wollen Sie hier?" "Reden", war die kurze Antwort, während sich der Sitzende erhob. Don musterte das Gesicht seines Gegenübers und befahl: "Hände hoch." Wortlos gehorchte Nick und ließ sich vom Bundesbeamten filzen, der ihm daraufhin auch die beiden Waffen abnahm. "So so", begann Don grimmig, "mit zwei Pistolen will man reden? Das wird aber eine eintönige Unterhaltung." "Dieses Mal habe ich nicht gesagt, dass ich ohne Versicherung auftauche", erwiderte Nick gereizt und fügte sarkastisch an: "Wollen wir die Unterhaltung auf dem Flur fortführen?" "Entschuldigen Sie meine Manieren", meinte Don lächelnd, "aber nach unserem Treffen heute nachmittag..."
Er brauchte den Satz nicht zu beenden, denn Nick unterbrach ihn: "Das war nicht meine Schuld, schon vergessen?" Lachend ließ Don die Waffe sinken. "Wissen Sie eigentlich, wie bekloppt das aussehen muss, was wir hier treiben?" Nun musste auch Nick lächeln, bevor Don ihn hereinbat. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er das Gefühl, dass ihm nichts passieren konnte. Er bedeutete seinem Gast, sich geradeaus ins Wohnzimmer zu begeben. Während sich dieser auch in die angegebene Richtung bewegte, schloss Don die Tür und folgte ihm dann zum Sofa. "Entschuldigen Sie die Unordnung, aber normalerweise erwarte ich um diese Uhrzeit keine Gäste mehr", stellte Don fest, als er Nick betrachtete, der es sich schon auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte. "Wie wäre es mit etwas zu Trinken?" versuchte Don sein Versäumnis als Gastgeber aufzuholen. "Was haben Sie denn da?" fragte der Angesprochene freundlich. Keine Spur von irgendeiner Gefahr, wie Don sich dachte. "Nun, ich kann nur mit Bier oder Wasser dienen." "Mir reicht Wasser, danke", antwortete Nick und sah Don dabei zu, wie er in die Küche ging, um anschließend mit zwei Gläsern Wasser zurückzukehren und sich neben ihm auf dem Sofa niederzulassen. Don hielt dem schon länger Sitzenden das Glas hin, der es misstrauisch beäugte. "Nehmen Sie das morgen mit zur Arbeit und lassen die Fingerabdrücke nehmen?"
Don musste aufpassen, dass er sich nicht an seinem Wasser verschluckte. "Was?" Doch nach kurzem Überlegen erschien ihm der Vorschlag durchaus pfiffig. Nick bemerkte den Blick, nahm das Glas und stellte fest: "Das werde ich mitnehmen, wenn ich gehe. Ich lass Ihnen das Geld dafür da." "Wer zum Teufel sind Sie?" fragte Don nun etwas genervt. Genau diese Frage wollte er beantwortet haben, alles andere war ihm egal. Doch Nick ließ sich nicht auf eine Antwort ein, die ihn weiterbrachte. "Ist das wichtig?" entgegnete er läppisch. "Für mich schon", erwiderte Don wahrheitsgemäß. "Darüber reden wir, wenn wir die Blackmates aus dem Verkehr gezogen haben, okay?" Überrascht sah Don seinen Gast an. Das schwache Licht des immer noch laufenden Fernsehers warf ein merkwürdiges Aussehen auf den Gesichtsausdruck. "Warum wollen Sie mir die Beiden ans Messer liefern?" wollte er dann wissen. "Eppes, ich weiß, dass ihr Bruder daran rechnet, wo der große Überfall stattfinden soll. Aber er wird nicht rechtzeitig fertig werden", stellte Nick mit seiner typischen Kälte fest.
Dons Überraschung wuchs. Zum einen war ihm unheimlich, dass dieser Mann ihn aus dem Effeff zu kennen schien. Zum anderen fand er seltsam, dass eben genau dieser Mann ihm helfen wollte. Das musste doch einen Grund haben. "Was wollen Sie eigentlich?" ließ Don daher verlauten. Nick seufzte. "Och Mensch, Eppes. Ist das Ihre größte Sorge?" Kopfschüttelnd sah er zum Fernseher, bevor er fortfuhr: "Es geht im Moment nicht darum, wer ich bin und was ich will. Es geht einfach darum, dass wir diese Kerle hinter Schloss und Riegel bringen! Sie werden sonst..." Er stockte. "Sie werden sonst was?" fragte Don und sah ihn dabei forschend an. Nick hätte sich am Liebsten selbst geohrfeigt, weil er zu viel gesagt hatte. Wiederum seufzte er. Da er den Satz angefangen hatte, musste er ihn nun auch beenden: "Sie werden sonst Menschen töten. Einfach so. Aus Spaß an der Freude, so wie beim letzten Mal in Phoenix."
Don musterte den traurigen Gesichtsausdruck seines Gegenübers und versuchte, sich an die Daten aus der Akte zu erinnern. Vor dem Umzug der Blackmate-Gang nach L.A. waren fünf Menschen bei einem Überfall erschossen worden. Unnötig, wie Nick dachte. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus, dass Don schließlich nach einigen langen Minuten brach: "Und was wollen Sie mir jetzt sagen?" Überrascht sah Nick auf, der etwas verlegen nach unten gesehen hatte. "Eigentlich will ich Ihnen Ort und Zeit des nächsten Überfalls nennen. Aber ich dachte, dass ich Sie ja erstmal davon überzeugen muss, mir zu trauen", antwortete er dann ehrlich. "Gehen wir mal davon aus, dass ich Ihnen traue", stellte Don fest. Darauf erwiderte sein Gast: "Heute, fünfzehn Uhr fünf, Zentralbank." Überrascht zog Don die Augenbrauen nach oben. "Schon heute?" Lachend nickte sein Gesprächspartner. Das war genau die Reaktion, die Nick erwartet hatte.
"Geben Sie mir ein Funkgerät und ich bin Ihre Rückendeckung", fügte er noch an. Don konnte ihm nicht folgen, deshalb wurde Nick etwas deutlicher: "Ich weiß ja nicht, wie sie das Problem lösen wollen, Eppes. Aber ich fungiere nur als die Rückendeckung der Beiden. Ich hab ein Scharfschützengewehr, mit dem ich mir einen Punkt suche, von wo aus ich alles überblicken kann. Anders herum kann ich den Beiden damit allerdings auch prima den Fluchtweg abschneiden. Das wäre dann Ihre Chance, zuzuschlagen." "Sie sind ja ein richtiger Taktiker", meinte Don anerkennend. Nick lachte. "Nur, weil ich nicht vom FBI bin, bin ich noch lange nicht dumm", stellte er fest und erhob sich vom Sofa. "Dürfte ich nun um meine Waffen bitten?" fragte er mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Don zögerte einen Moment. "Aber was wollen Sie mit einem Funkgerät, geschweige denn der Tatsache, wie ich es Ihnen geben soll?" "Vergessen Sie das Funkgerät", meinte Nick verlegen, "ich finde die Dinger nur cool." Nach diesen Worten sah er Don lächelnd an, der daraufhin aufstand und sich zur Wohnungstür begab, wo er Nicks Pistolen auf einem kleinen Regal abgelegt hatte. "Bedienen Sie sich", meinte er mit einer Kopfbewegung und öffnete schon mal die Tür. "Besten Dank", antwortete Nick, als er die Waffen wieder in den passenden Holstern unter seiner Jacke verstaute, "und wegen dem Glas... ich lasse es doch hier. Machen Sie damit, was Sie wollen." Mit schnellen eleganten Schritten war er durch die Tür verschwunden und sprang die Treppenstufen hinunter. Kopfschüttelnd schloss Don die Tür.